Warum immer ich?

Heute war mal wieder so ein Tag, der sich nahtlos in die lange Reihe von „Warum immer ich?“ einreihen könnte. Es fing alles relativ harmlos an – das hätte mir eigentlich schon zu denken geben sollen. Ihr kennt das ja: Wenn morgens alles glatt läuft, gibt es garantiert irgendetwas, das einem später den Tag ordentlich versaut. Aber ich habe die Warnzeichen elegant übersehen, in der Annahme, es könnte tatsächlich einfach nur ein entspannter Tag werden. Ha! Wie naiv von mir.

Es begann mit einem Anruf meiner Freundin. Und wenn ich sage „Anruf meiner Freundin“, dann meine ich natürlich die Sorte Anruf, bei dem man beim zweiten Klingeln schon weiß: „Da kommt was auf mich zu.“ Ein Hilferuf. „Olaf, ich hab ein Problem mit meinem Auto“, flötete sie in einer Art, die mir sofort klar machte, dass ich den Tag nicht auf der Couch verbringen würde. „Die Fensterscheibe geht nicht mehr rauf und runter.“

„Na und? Meine Motivation auch nicht“, dachte ich kurz, sagte das aber natürlich nicht laut. Ich bin ja ein höflicher Mensch. Also setzte ich mein „Ich bin total interessiert“-Gesicht auf und fragte zurück: „Und was genau passiert? Oder besser gesagt, was passiert nicht?“

„Naja, die Scheibe bleibt einfach stur. Ich kann drücken, was ich will – es tut sich nichts.“ Der Satz klang verdächtig vertraut. Ein bisschen so, wie ich mich fühle, wenn ich auf die Waage steige und das Ergebnis ignoriere, in der Hoffnung, dass die Zahlen einfach irgendwann nachgeben und runtergehen.

Langer Rede kurzer Sinn: Ich also ab ins Auto und rüber zu meiner Freundin. Am besagten Fahrzeug angekommen, durfte ich mir erst mal die ganze Leidensgeschichte anhören. Die Scheibe, die bis gestern Abend noch funktionierte, hat beschlossen, ihren eigenen Streik einzulegen. Nicht mal ein leises „Wrrr-wrrr“ war zu hören. Einfach tot. Na gut, dachte ich, wie schwer kann das schon sein?

Stunde eins: Wir sitzen beide im Auto und starren die Fensterscheibe an, als ob wir sie mit unseren Blicken hypnotisieren könnten. Ich probiere ein paar Mal, den Schalter zu drücken. Spoiler: Es passiert nichts.

Stunde zwei: Ich habe die Verkleidung der Autotür entfernt und meinen gesamten Werkzeugkasten auf der Straße ausgebreitet. Es sieht aus wie die Operationsstation eines Mechanikers – nur ohne den Mechaniker. Alles, was ich bin, ist ein Theologe mit einem Schraubenzieher, der so tut, als hätte er Ahnung.

„Woran könnte es denn liegen?“, fragt meine Freundin, während sie interessiert zuschaut – was in diesem Kontext bedeutet, dass sie alle zehn Sekunden fragt, ob ich schon weiß, was das Problem ist.

„Vermutlich… äh… ein Kabel… oder so“, murmele ich, während ich eine Ansammlung von Drähten betrachte, die aussieht, als hätte ein gelangweilter Hamster sich darin verlaufen. Und da sehe ich es: Ein Kabelbruch! Ein Triumphgefühl breitet sich in mir aus, das vergleichbar ist mit dem Moment, wenn man das letzte Stück Torte aus dem Kühlschrank holt und merkt, dass niemand anderes es entdeckt hat.

„Da ist der Übeltäter!“, rufe ich. Endlich. Wir flicken das Kabel notdürftig zusammen, und siehe da – die Fensterscheibe bewegt sich wieder! Halleluja! Ein Hoch auf meine erstaunlichen (nicht vorhandenen) Mechanikerfähigkeiten. „Du bist der Beste!“, sagt meine Freundin. In dem Moment fühle ich mich wirklich wie der Held des Tages. Automechaniker Olaf Regge – der Mann, der selbst Kabelbruch mit einem theologischen Ansatz lösen kann.

Stolz wie Oskar fahre ich nach Hause. Doch kaum bin ich angekommen, merke ich: Die Stimmung kippt. Es ist ruhig. Zu ruhig. Kein neugieriges Maunzen an der Haustür. Kein hochmütiges Schnurren, das mir signalisiert, dass ich gefälligst schneller sein soll mit dem Türöffnen. „Wo ist sie?“, frage ich mich sofort. Die Katze – oder besser gesagt, der Kater – des Nachbarn, der mich seit Monaten fest im Griff hat und meine Wohnung zu seinem zweiten Zuhause gemacht hat, ist nirgends zu sehen.

Normalerweise ist sie – also „sie“, obwohl es sich eigentlich um einen Kater handelt, aber das Detail lassen wir mal außen vor – spätestens am Nachmittag da und lässt mich wissen, dass ich nicht der Boss in meiner eigenen Wohnung bin. Doch heute? Keine Spur von ihr. Stattdessen höre ich das leise Prasseln des Regens auf dem Dach. Es ist kalt und ungemütlich draußen. Der Gedanke, dass die kleine Streunerin (denn ich weigere mich weiterhin, ihn als „ihn“ zu bezeichnen) irgendwo im Regen sitzt, lässt mich unruhig werden.

„Wo bist du, du kleines Ungetüm?“, murmele ich, während ich die Fenster absuche. Nichts. „Vielleicht ist sie im Garten?“, überlege ich. Aber dann denke ich daran, dass der Kater die Regenstimmung ungefähr genauso sehr liebt wie ich Zahnarztbesuche. Bestimmt hat er sich in einem der anderen Gärten verkrochen. Logisch. Aber es regnet doch! Mit einem Seufzen setze ich mich aufs Sofa, den Blick weiter suchend aus dem Fenster gerichtet.

Die Minuten verstreichen, und ich male mir schon die schlimmsten Szenarien aus. Was, wenn sie sich verlaufen hat? Was, wenn sie von einem anderen Nachbarn entführt wurde, der jetzt auch ihren arroganten Charme zu spüren bekommt? Doch dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, höre ich ein leises „Miau“. Da ist sie! Oder besser gesagt: Er.

Nass bis auf die Knochen, mit dem Gesichtsausdruck, der klar sagt: „Hast du eigentlich mal aus dem Fenster gesehen? Was soll das hier für ein Service sein? Lass mich rein und gib mir was zu fressen!“ Sie stolzierte herein, als wäre nichts gewesen, schüttelte sich kurz und sprang dann auf meinen Schoß, wo sie es sich gemütlich machte. Natürlich – den halben Tag weg, aber trotzdem die Chefin im Haus.

Tja, so ist mein Alltag: zwischen Autoreparaturen, nachbarschaftlichen „Besuchen“ und einem Kater, der sich benimmt, als wäre er die unangefochtene Königin meines Lebens. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin einfach nur das Personal in einem Theaterstück, das „Leben“ heißt – und meine pelzige, ungebetene Mitbewohnerin hat die Hauptrolle.



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