Es war ein eiskalter Herbsttag, und der Wind blies durch das kleine Dorf, dass es nur so heulte. Drinnen war es warm und gemütlich, und Gertrud hatte es sich mit einem tiefen, zufriedenen Schnurren auf ihrem Lieblingskissen am Kamin bequem gemacht. Gerade wollte sie in den perfekten Nachmittagsschlaf gleiten, als ein leises, klägliches „Miau“ von draußen hereindrang.
Gertrud blinzelte genervt. „Was war das denn?“ grummelte sie und richtete sich müde auf. Gerade war sie bereit, sich wieder einzukuscheln, da hörte sie es wieder – dieses kleine, durchdringende „Miau“. Noch lauter.
„Gibt es denn keine Ruhe mehr?“ seufzte Gertrud und schob sich zur Terrassentür. Sie öffnete die Pfote gerade so weit, dass sie hindurchschielen konnte, und erblickte ein kleines, zitterndes Kätzchen mit grauem Fell und großen blauen Augen. Es hockte zitternd auf dem Terrassentisch und sah so kläglich aus, dass selbst Gertruds hartnäckiger Sinn für Ruhe ins Wanken kam.
„Was machst du da draußen im Regen?“ fragte Gertrud streng, aber das Kätzchen schniefte nur und sah sie mit großen Augen an. „Ich… ich bin verloren gegangen, und es ist kalt und gruselig hier draußen.“
Gertrud seufzte dramatisch. „Na schön, komm schon rein, aber nur, bis das Wetter besser ist.“ Sie öffnete die Tür, und das Kätzchen sprang aufgeregt ins Wohnzimmer, tropfte dabei auf den Teppich und lief direkt zu ihrem Kissen. Gertrud blieb die Luft weg.
„Oh, ist das schön weich! Ist das dein Kissen?“ fragte das kleine Kätzchen mit glänzenden Augen und machte es sich direkt mitten auf Gertruds Lieblingsplatz bequem.
Gertrud zuckte ungläubig mit den Schnurrhaaren. „Ja, das ist MEIN Kissen!“
Doch das Kätzchen ignorierte sie völlig und schnurrte zufrieden, rollte sich zusammen und schloss die Augen. Gertrud starrte es einen Moment lang fassungslos an, bevor sie schnaufend daneben Platz nahm. Na, das würde ein kurzes Nickerchen, dachte sie, dann geht das Kleine wieder.
Doch kaum hatte sie es sich gemütlich gemacht, da blinzelte das Kätzchen schon wieder aufgeregt. „Sag mal, was gibt es hier alles zu essen?“ fragte es neugierig und starrte in Richtung Küche. „Hast du vielleicht… Fisch?“
Gertrud verdrehte die Augen. „Das ist kein Gasthaus! Hier gibt es keine Speisekarte.“ Doch das Kätzchen ließ sich nicht beirren und sprang vom Kissen. Mit blitzschnellen Pfoten schoss es in die Küche und kam wenig später mit einem Stück Trockenfutter im Maul zurück.
„Schau mal! Ich hab was gefunden!“ miaute das Kätzchen begeistert und ließ das Stück Futter direkt vor Gertruds Nase fallen. „Ist das nicht nett von mir?“
„Das ist das Katzenfutter vom Hund! Das ist für Bruno, den Hund von nebenan! Was meinst du, warum es so riecht?“ Gertrud schnaubte empört, aber das kleine Kätzchen schnurrte fröhlich weiter.
„Naja, aber vielleicht bin ich ja Bruno“, miaute es kichernd und schnappte sich das Futter wieder. „Bruno hat bestimmt nichts dagegen.“
Gertrud hielt inne und schaute dem kleinen Kätzchen zu, das glücklich auf dem Trockenfutter herumkaute. Vielleicht hatte das kleine Ding einfach keine Manieren gelernt, dachte sie und ließ ein kleines, amüsiertes Schnurren hören.
Da spitzte das Kätzchen plötzlich die Ohren. „Sag mal, Gertrud… gibt es hier Versteckspiele?“ Es blickte sich um und erspähte die Couch. Ohne Vorwarnung sprang es darauf und verschwand hinter einem Stapel Decken. „Du musst mich suchen!“ rief es, während seine kleine Pfote unter der Decke hervorlugte.
Gertrud seufzte schwer. Das wird eine lange Nacht, dachte sie und ließ sich neben der Couch nieder. Gerade wollte sie die Augen schließen, da sprang das Kätzchen plötzlich auf sie zu und rief: „Ich hab dich gefunden!“
„DU sollst doch verstecken spielen!“ rief Gertrud, aber das Kätzchen lachte und hüpfte vergnügt über das Sofa, dann über den Teppich und schließlich direkt zurück auf Gertruds Kissen.
Gertrud sah es einen Moment lang an, ließ sich dann einfach daneben nieder und legte die Pfoten übereinander. „Na gut, du kleine Nervensäge“, miaute sie und ließ ein winziges Lächeln sehen. „Bleib die Nacht hier. Aber wehe, du schnarchst.“
Das Kätzchen kuschelte sich zufrieden an Gertrud und flüsterte: „Danke, Gertrud. Weißt du, du bist die beste Gastkatze, die ich je getroffen habe.“
Gertrud seufzte. Aber als das kleine Kätzchen eingeschlafen war, hörte man ein leises Schnurren – von beiden Katzen.

